Atmung – MDH Breathing Coordination
Ist ein gut koordinierter Atem für Sänger und Bläser Voraussetzung für einen schönen, tragfähigen und frei fließenden Ton, so kann jeder Mensch dadurch erheblich an Lebensqualität gewinnen.
Die Methode der “Breathing Coordination nach Lynn Martin und Robin de Haas” hilft eine Atmung mit minimalem Aufwand und maximaler Effizienz also einen guten Gas-Austausch zu erreichen. Die an der Atmung beteiligten Körper-Strukturen werden in eine bessere Koordination gebracht, das Zwerchfell wird gestärkt, seine Bewegung vergrößert und harmonisiert.
Durch die effiziente Zwerchfellbewegung wird eine maximale Ausatmung ermöglicht: nach der Ausatmung verbleibt weniger Restluft (Residual-Luft) in der Lunge, ein guter Gasaustausch findet statt.
Ein gut funktionierendes Zwerchfell als Fundament des Atemsystems und wichtige „Pumpe“ des Körpers hat positive Auswirkungen auf Kreislauf und Nervensystem und somit den ganzen Menschen.
MDH Breathing Coordination für alle
Durch sanfte Prozeduren und Übungen kann das Körperbewusstsein jedes Menschen verbessert werden. Die natürliche Achse unserer Wirbelsäule kann in Balance kommen, der Rücken wird entlastet.
Durch die bei einem gut koordinierten Atem stattfindenden Bewegungen der Rippen zwischen den Wirbelkörpern wird die Wirbelsäule sanft “massiert” und flexibilisiert. So wird beispielsweise aus einer starren Haltung mit übermäßig hoch aufgerichtetem Brustkorb eine aufgerichtete Balance: die Rippen “hängen” flexibel an der Wirbelsäule. Dadurch sind sie frei beweglich, um ihre Aufgabe der sanften Drehbewegung in der Atmung zu erfüllen.
Im Inneren kann das Zwerchfell entlang der Rippen frei nach oben und unten gleiten und wird dabei gestärkt. Der Ausatem wird länger, die verbrauchte Luft ausgeatmet. Mit wenig Aufwand wird der Körper auf diese Weise gut mit Sauerstoff versorgt: Nervensystem und Kreislauf können sich beruhigen.
Einfache Übungen der MDH Breathing Coordination lassen sich leicht in den Alltag integrieren und können so zur Senkung des Stresslevels beitragen.
MDH Breathing Coordination für Sängerinnen und Sänger
Dass ein effizienter Umgang mit dem Atem für Sängerinnen und Sänger wesentlich ist, liegt auf der Hand. Aufgrund der komplexen Zusammenhänge zwischen Atemsystem und Stimme ist eine sehr feine Koordination notwendig. Um diese Koordination zu erreichen müssen die Körper-Strukturen frei sein, um auf die Anforderungen im Gesang zu reagieren.
Da kann die Arbeit nach den Prinzipien der MDH Breathing Coordination eine große Hilfe sein, um einerseits den Körper durch Flexibilisierung bereit zu machen und zweitens die Körper-Strukturen der Atmung und Stimme gut aufeinander abzustimmen.
Appoggio und sogenannte “Atemstütze”
Diese Abstimmung ist besonders für das sogenannte Appoggio (aus ital. appoggiarsi – sich anlehnen) wichtig, dass im Deutschen oft missverständlich als Atemstütze bezeichnet wird. Anders als das Wort Stütze vermuten lässt, handelt es sich nicht um eine feste Einstellung, die aufrechterhalten werden muss, sondern vielmehr um eine flexible Reaktion des Körper auf den Einsatz der Stimme oder präziser eine Reaktion des Körpers auf die Gegenspannung, die die Stimmlippen auf die Luft in der Lunge ausüben.
Diese Gegenspannung pflanzt sich über die Luft in der Lunge bis in die Strukturen des Atemsystems fort. Sind diese frei genug, um auf diesen Gegendruck zu reagieren, kann das Appoggio geschehen: rundherum in den Rippen, im mittleren und unteren Rücken und nicht zuletzt im Brustbein gibt es eine leichte Bewegung nach außen, die den an den Stimmlippen entstehenden Atemdruck “abpuffert”.
Innerhalb dieser flexiblen Weitung, die sich stetig an die sich durch Tonhöhe, Lautstärke, Vokal und Restluftmenge in der Lunge ändernden Druckverhältnisse anpasst, steigt das Zwerchfell allmählichnach oben und die Rippen senken sich im Zeitlupentempo.
Diese Senkung der Rippen wird häufig gar nicht wahrgenommen, weil sie erst gegen Ende der Atemphrase deutlich spürbar wird. Die meisten Gesangsphrasen sind erheblich kürzer, so dass diese Senkung kaum erfahrbar wird. Daher das verbreitete Missverständnis man müsse die Rippen die ganze Zeit weit halten.
Atemluftmenge und Gasaustausch
Sind die Rippen frei beweglich und ist ihre Bewegung gut Koordiniert mit der Bewegung des Zwerchfells, kann selbiges höher steigen und damit mehr verbrauchte Luft aus der Lunge drücken.
Nach solch einem effizienteren Gasaustausch benötigt man weniger Einatemluft, um den Sauerstoffbedarf des Körpers zu decken, was den Druck unter dem Kehlkopf verringert und dadurch ein leichtes Ansprechen der Stimme unterstützt. Durch die verstärkte Randschwingung der Stimme erhöht sich ihre Tragfähigkeit.
MDH Breathing Coordination für Sprecher*innen und Schauspieler*innen
Damit eine Stimme mühelos auch in größeren Räumen und über einen längeren Zeitraum trägt, ohne Überlastungserscheinungen zu zeigen, ist es es wichtig, dass Atemdruck und Stimmlippenspannung optimal auf einander abgestimmt und koordiniert sind. Nur dann erreicht die Stimme maximalen Klangreichtum und gute Tragfähigkeit mit minimalem Aufwand.
Da Atemdruck und Stimmfunktion systemisch zusammenhängen – eines ist vom anderen (rückkoppelnd) beeinflusst – unterstützt ein effizient geführter Atem die Stimme. Ebenso nimmt auch die Stimme durch die Verschluss-Spannung gegen die Luft in der Lunge Einfluss auf die Atemmuskulatur. Dieses Zusammenspiel macht sich die MDH Breathing Coordination zunutze und ist daher eines ihrer Grundprinzipien.
Für Sprecher ist ein effizienter Umgang mit dem Atem damit Voraussetzung für einen guten Einsatz der Stimme. Auch hier kommt ein Prinzip der MDH Breathing Coordination zum tragen: gelingt es die an der Atmung beteiligten Körperstrukturen zu einer guten Koordination zu bringen, kann das Zwerchfell im Brustraum höher steigen und mehr verbrauchte Luft aus der Lunge bewegen.
Diese effiziente Ausatmung belässt nur einen kleinen Teil Restluft in der Lunge. Die daraus folgende druckfreie als “passiv” wahrgenommene Einatmung führt zu einer optimalen Einatemluft-Menge: es gelangt genug Luft in die Lunge, um den Sauerstoffbedarf zu befriedigen. Das verbreitete “Überatmen” und “Sich-Vollpumpen” lässt sich so durch eine effiziente Ausatmung vermeiden.
Die Strukturen des Atmungssystems bleiben flexibel und können auf die Anforderungen der Stimme reagieren. Der Druck unter dem Kehlkopf ist nicht zu hoch. Die Stimme kann “frei” schwingen.
Durch die gute Sauerstoffversorgung des Körpers beruhigt sich das Nervensystem, was eine positive Wirkung auf die “Stress-Situation” eines wie auch immer gearteten Auftritts hat und die auch negativen Auswirkungen des Lampenfiebers abmildern kann.
MDH Breathing Coordination bei Stimm- und Atem-Problemen
Was für Sprech-Berufe gilt, ist in noch höherem Maße für Menschen von Bedeutung, die Schwierigkeiten mit der Atmung und – häufig im Zusammenhang damit – der Stimme haben. Durch die systemische Anpassung des Körpers an eine geschwächte Körperstruktur kommt es zu Kompensationen in anderen Bereichen des Körpers.
Dazu ein Beispiel: Ist die Stimme in Folge einer Überlastung oder Erkrankung geschwächt, kommt es häufig zu einer Überkompensation zum Beispiel in der Nacken-Unterkiefer-Zungen-Mukulatur. Zusätzlich versucht der Körper durch erhöhten Atemdruck, die nicht gut schwingende und damit klingende Stimme “in Gang zu bringen”. Eine Überatmung ist die Folge. Der Brustkorb wird starr und “aufgeblasen”. Die Menge der in der Lunge nach der Ausatmung verbleibenden Restluft erhöht sich. In Folge steigt der Druck unter dem Kehlkopf, und die Stimme wird durch diesen hohen Druck noch mehr geschwächt. Die Stimmlippen versuchen durch Überkompensation auszugleichen und “blockieren”.
So kann aus einer vorliegenden Unter-Funktion der Stimmlippen durch die Schwächung eine Über-Funktion werden. Die sogenannte Randschwingung der Stimmlippen, verantwortlich unter anderem für eine gute Tragfähigkeit, funktioniert in dem nunmehr “starren” System nicht mehr. Ein Teufelskreis.
Umgekehrt verhält es sich, wenn es Schwierigkeiten mit der Atmung gibt: das geschwächte Atemsystem kann nicht genug “Energie” bereitstellen, um die Stimmlippen gut in Schwingung zu versetzen. Das Stimmsystem kompensiert durch höhere Spannung. Die Stimmlippen können nicht mehr frei schwingen. Die Stimme fühlt sich blockiert an und klingt klein, angestrengt, belegt. Die Atemmuskulatur reagiert auf die Überspannung im Stimmsystem mit forcierter Einatmung, um den nötigen Druck zu erzeugen. Wieder ein Teufelskreis.
Gelingt es nun beispielsweise mittels Prozeduren und Übungen der MDH Breathing Coordination einzelne Körperstrukturen zuerst zu befreien und dann in eine bessere Koordination zu bringen kann der Teufelskreis durchbrochen werden. Der Regelkreis von Atemdruck und Stimmlippenspannung kann jetzt genutztwerden, um die Einzelfunktionen wieder in eine gute Koordination zu bringen. Das Zwerchfell selbst als Hauptatemmuskel wird gestärkt.
Historie der Breathing Coordination und Carl Stough
Das Konzept der Breathing Coordination wurde in den 50er Jahren durch den US-amerikanischen Chorleiter und Stimmpädagogen Carl Stough begründet.
Aufgrund seiner Erfolge in der Stimm- und Atemschulung von Chor-Sängern bat ihn ein Veteranen-Hospital 1958, seine Erfahrungen und Fähigkeiten im Training der Atem- und Stimmfunktion in der Therapie von Lungen-Emphysem-Patienten einzusetzen und weiterzuentwickeln.
Durch Studien am Röntgen-Leuchtschirm bemerkte er, wie stark das Zwerchfell als Hauptmuskelorgan des menschlichen Körpers durch entsprechende Übungen trainierbar ist. So ließen sich Form und Auslenkung des Zwerchfells beim Atemvorgang positiv verändern und zu einer für den effizienteren Gasaustausch notwendigen Funktion (zurück)führen; viele Atemfehler und Brustkorb-Abnormalitäten wie Tonnenbrustkorb oder verdrehte Rippen konnten behoben werden.
Als „Nebeneffekt“ des effizienter koordinierten Atems wurde auch der Stimmklang deutlich verbessert: Die Stimmen der Klienten klangen natürlicher, kraftvoller und obertonreicher.
Auch für Sportler hat sich die Breathing Coordination als sehr hilfreich erwiesen: Im Jahre 1968 konnte Carl Stough die Läufermannschaft der Vereinigten Staaten auf die besonderen Anforderungen des Laufens in großer Höhe für die Olympischen Sommerspiele in Mexiko erfolgreich vorbereiten.
Carl Stough selbst hat niemals ein Ausbildungssystem für die von ihm entwickelte „Breathing Coordination“ konzipiert, jedoch konnte seine Assistentin und ehemalige Direktorin des Carl Stough Instituts in New York, Lynn Martin, aufgrund langjähriger Zusammenarbeit mit ihm die Arbeit nach seinem Tod im Jahr 2000 erfolgreich fortsetzen.
Robin de Haas stieß im Rahmen seiner Nachforschungen für eine Abschlussarbeit auf das Konzept der Breathing Coordination und traf das erste Mal Lynn Martin. Überzeugt, dass sich die Konzepte erfolgreich auch an andere vermitteln lassen, entwickelten Robin de Haas und Lynn Martin das Ausbildungskonzept „Practitioner für Breathing Coordination nach Lynn Martin und Robin de Haas“.